Norbert Trompisch, Institute DOLPHINSWIM
Die Delphintherapie ist eine tiergestützte Therapieform, die seit mehr als 20 Jahren Anwendung findet und heute zur Behandlung eines breiten Spektrums psychischer Probleme und Störungen, als auch für zahlreiche Formen von intellektueller und psychischer Behinderung eingesetzt wird. Im Zentrum dieser Behandlungsform liegt die therapeutisch begleitete Delphininteraktion, die – ganz allgemein gesprochen – eine stimulierende Wirkung auf den menschlichen Organismus ausübt und so einen Entwicklungsprozess begünstigt. Bereits seit der Antike faszinieren die Delphine die Menschen, wurden als Freunde betrachtet oder gar als Gottheiten verehrt. Davon zeugen Delphindarstellungen in ägyptischen Tempeln wie auch die minoischen Fresken von 1500 v. Chr. im Palast von Knossos. In der griechischen Mythologie nehmen die Delphine einen wichtigen Stellenwert ein, die Bezeichnung für den Delphin stammt aus dem Altgriechisch, sie wurden „Delphis“ bzw. „Delphinos“1 genannt. Auch auf anderen Kontinenten wurden ebenfalls Delphine verehrt, wie bei den australischen Alborigenes, wo sie als Gottheiten in der Traumzeit erwähnt werden. Die Römer Plinius der Ältere und Plinius der Jüngere berichten von Delphinen, die mit Fischern kooperierten oder gar Menschen retteten. Für Seeleute sind Delphine seit jeher Glückbringer und manchmal sogar Lotsen, so wie der Delphin Pelorus Jack, der um die Jahrhundertwende in Neuseeland Schiffe von der Nordinsel durch eine gefährliche Passage zur Südinsel dirigierte.2 Obwohl das Interesse der Menschen an den Delphinen lange Geschichte hat, wurde es erst mit John Lilly in den Jahren 1950 bis 1970 und seinen Forschungen über die Mensch-Delphin Interaktionssphäre erstmals Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Lilly ́s Ziel war es eine Kommunikationssphäre mittels Zeichen- und Lautsprache herzustellen, um mit dieser Tierart näher in Kontakt treten zu können. In weiterer Folge konzentrierten sich die Untersuchungen auf die Auswirkungen von Langzeit-Delphininteraktionen auf das menschliche Gehirn und Bewußtseinsfunktionen (Lilly, 1978). Es stellte sich dabei heraus, dass sich im Delphinkontakt bewußtserweiternde Wirkungen entfalteten, die sich durch gesteigerte Sensibilität, Aufmerksamkeit und kognitiver Aktivität ausdrückte. Mit dem Aufkommen der tiergestützten Therapien, inspiriert durch die Erfolge des New Yorker Psychotherapeuten Boris Levinson, dem Begründer der tiergestützten Therapie mit Hunden begannen Horace Dobbs (Dobbs, 1977, 1992, 2004) in Großbritannien und Dave Nathanson (Nathanson 1997, 1998) in den USA mit dem therapeutischen Anwendungsfeld von Delphinen zu experimentieren. Horace Dobbs dokumentierte diese Delphintherapie-Pionierarbeit mit einem Patienten mit Depression, bzw. einer Patientin mit Anorexia und einem freilebenden Delphin vor der Küste Englands in einer eingehenden Fallstudie. Nathanson etablierte das erste Delphintherapie-Zentrum in Key Largo Florida Mitte der 80er und beteiligte sich in Folge maßgeblich an der Erforschung der Delphintherapie mit wissenschaftlichen Methoden. Seine vielzitierten Studien „Effectiveness of short-term dolphin-assisted-therapy for children with severe disabilities“ und „Effectiveness of long-term dolphin-assisted-therapy for children with severe disabilities“ konnten erste Wirkungsnachweise der Delphintherapie erbringen. Ebenfalls in dieser Zeit erhob Betsy Smiths die Auswirkungen der Delphintherapie auf kognitive und emotionale Fähigkeiten von autistischen Menschen (Smith 1984). Neuere Wirksamkeitstudien, wie jene von Nicole Kohn & Rolf Oerter bestätigten die Ergebnisse von Nathanson und die Effektivität seiner DHT (Dolphin Human Therapie) und der Delphintherapie am Dolphinreef in Eilat/Israel3. „A Summative Evaluation of a Dolphin Assisted Therapy Program with Special Needs Children“4, durchgeführt am Dolphinswim Alpha-Therapie Zentrum in Jalta, bestätigt für unterschiedliche Formen von Behinderung signifikant positive Veränderungen in Bezug auf Aggressivität, Unleitbarkeit, soziale Zurückgezogenheit und Ängstlichkeit. Im Bereich der Wirksamkeitsstudien ganz besonders hervorzuheben sind die Arbeiten von Ludmilla Lukina aus der Ukraine. Bereits seit Anfang der 90er Jahre leistete die Forscherin in zahl- und umfangreichen Studien einen erheblichen Beitrag in der Fundierung und Belegung der Wirksamkeit der Delphintherapie für unterschiedliche Störungsbilder (Lukina, 2003). In ihren zahlreichen Veröffentlichungen (mehr 20 wissenschaftliche Publikationen zur Delphintherapie in den letzten 10 Jahren) hat Lukina detailliert die Wirksamkeit der Delphintherapie auf verschiedene Störungs- und Krankheitsbilder untersucht: so etwa den Einfluss der Delphintherapie auf den funktionalen Zustand von Kindern5, auf die Rehabilitation von Kindern mit psychoneurologischer Pathologie6, Müdigkeitssyndrom7, Enuresis8, Cerebralparese9, Phobien, Sprachstörungen, Neurasthenie und frühkindlichen Autismus10. Sie konnte außerdem Indikatoren (Altersfaktor, Art und Schweregrad der Behinderung, psychische vs. physiologische Komponente der Erkrankung) ermitteln, von denen die Wirksamkeit der Delphintherapie abhängt. Die Nürnberger Delphintherapie-Studie von Breitenbach, v. Fersen und Stumpf11 ist die erste Langzeitstudie, die seit 10 Jahren im Tiergarten Nürnberg durchgeführt wird. In mehreren Studien-Phasen wurde das Therapiesetting gezielt variiert und die Vor- und Nachteile evaluiert. Den Ergebnissen zufolge leistet die Delphintherapie positive Veränderungen in der Kommunikationsfähigkeit, positive Veränderungen im sozial-emotionalen Verhalten und der emotionalen Stabilität der Kinder, positive Veränderung in der Mutter-Kind-Interaktion und ist darüber hinaus effektiver als andere tiergestützte Therapien.12 Breitenbach liefert außerdem ein sozialpädagogisches Erklärungsmodell zum Therapiemechanismus der Delphintherapie. Demzufolge werden von den Delphinen im Klienten Prozesse anregt und die dazu führen, dass sich die Kommunikationsmöglichkeiten, insbesondere jene mit den Eltern verbessern. Diese wiederum lernen durch die Delphintherapie die Reaktionen ihrer Kinder besser zu verstehen. Dieser „Schneeball-Effekt“, soll auch jene Lerneffekte, die sich noch nach der Delphintherapie ereignen, erklären. Delphine bewerkstelligen diese Stimulation durch ihr adäquates Verhalten gegenüber dem Menschen und ihren ausgeprägten sozialen Sinn und kommunikativen Fähigkeiten. Diese Kernkompetenz der Delphine ist eine Folge der Anpassung an den maritimen Lebensraum. Dadurch verfügen sie über eine Reihe von Fähigkeiten in denen sie sich von Landsäugern unterscheiden. Sie sind von Natur aus neugierig und mögen es auf spielerische Art und Weise mit Menschen, ungeachtet seiner Einschränkungen Kontakt zu knüpfen. Dabei gehen sie gezielt vor: fördern und fordern die Klienten abhängig von ihren Einschränkungen. Nähe und Distanz wird durch den psychischen Zustand des Klienten mitbestimmt, bei körperlichen Einschränkungen beispielsweise ist die Häufigkeit von Kontakten an den betroffenen Körperstellen höher, als bei gesunden Menschen.13 Delphine stimulieren den Menschen jedoch nicht nur psychisch, sondern auch unmittelbar neurologisch. EEG-Messungen zufolge kommt es während Delphin-Interaktionen zu einer signifikante Absenkung der Gehirnwellenfrequenz in den Alpha/Theta Crossover Bereich und einer Hemisphärensynchronisation14. Die Sonophoresis-Theorie von David Cole erklärt diese Effekte über die Einwirkung des vom Delphin ausgehenden Ultraschall (SONAR). Diese Theorie besagt, dass intra- und interzelluläre Membranen durch den Ultraschall der Meeresäuger stimuliert werden, was den Stoffwechsel und die Reizleitung an den Synapsen anregt. In Kombination mit den von Breitenbach beschriebenen psychologischen Aspekten üben Delphine eine angstreduzierenden Wirkung15 aus und können subjektive Hocherlebnisse bei Menschen auslösen16. Es handelt sich dabei um einen Prozess, in dem die Tiere zunächst angstauslösend wirken und in weiter Folge diese bei gleichzeitiger Unterstützung des Nervensystems durch Sonophoresis17 systematisch Desensibilisieren. So verhelfen die Delphine dem Menschen dazu strukturierende Grundängste wahrzunehmen und diese zu erlösen. Ist dieser Prozess erfolgreich abgeschlossen erleben die beteiligten Personen vielfach emotionale Hocherlebnisse, die DeMares wie folgt zusammenfasst: „Sowohl mit einem anderen Wesen ganz verbunden zu sein, als auch mit sich selbst, ist der Delphinbegegnung zugrunde liegende Wunsch. Die dabei auftretenden Gefühle – Intention, Augenkontakt, Verbundenheit, Lebendigkeit und Harmonie – versetzen den Menschen in einen Moment der Wahrhaftigkeit bzw. geben einen Anhaltspunkt, anhand dessen sie ihren persönlichen Entwicklungsstand messen können.“18
An important topic for dolphin therapy is the indication. Norbert Trompisch ́s dolphin therapy study is dedicated to this question and examines the quality of the changes brought about by dolphin therapy for the disorders autism, cerebral palsy, Down syndrome, developmental delays and coma vigil. It was found that the therapy effect depends significantly on the respective disorder. Thus, autistic people benefit in particular with regard to their social skills, people with Downs syndrome and those with developmental delays in the linguistic area and those with cerebral palsy with regard to their motor skills, but especially through an increase in self-confidence and reduction of fears. The therapeutic effect on the most severe forms of disability such as vegetative state is comparatively low.19
These studies attest to various forms of dolphin interaction and dolphin therapy having a variety of positive effects on people. In the meantime, dolphin therapy can be regarded as an effective therapy measure for people with disabilities and various mental disorders. In particular, it promotes people's willingness to make contact, their social skills and their ability to concentrate. The dolphin interaction increases the receptiveness for information, reduces stress, triggers positive emotions, reduces fears and harmonises the human system as a whole.
However, many questions about the mechanism of action of dolphin therapy, especially the brain physiological effects and the role of the dolphins' ultrasound, still need further clarification. Previous effectiveness studies partly suffered from methodological deficiencies - a suitable evaluation system with systematic data triangulation is still missing, which can be adapted depending on the disorder group. The question of effective factors in dolphin therapy has not yet been answered satisfactorily, as well as the indication of dolphin therapy for fields of application in the field of mental disorders, which have not yet been considered. The research field of dolphin therapy therefore still holds many exciting questions: It is an interdisciplinary field of science from psychology, animal psychology, psychotherapy sciences, pedagogy, marine and behavioural biology and the veterinary sciences, which offers diverse research opportunities beyond the mainstream, i.e. still "real uncharted territory", and offers various specialisation opportunities for young researchers in particular.
Literature
1 Gemoll 1991, p. 187 2 Dobbs, 1992 p. 56
3 Kohn & Oerter, 2004 4 Dilts 2008 5 Lukina 1999(a), p.1 6 Lukina 1999(b)
7 Lukina 2000_6 8 Lukina 2001 9 Lukina 2001_2
10 Lukina 2002_2 11 Breitenbach et al 2006, Stumpf 2006
12 Breitenbach et al 2006
13 Fritsch 2009 14 Cole 1996, de Bergerac 1998 15 Webb, 2001 16 DeMares 2000 17 Cole 1996 18 DeMares 2000
19 Trumpet 2005
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